Über das Reden und Tun
Je älter ich werde, desto mehr fällt mir auf, dass sehr viele Menschen über das Tun reden aber immer weniger das Tun, worüber sie reden. Und nein, ich meine damit definitiv nicht die Politik, sondern unser tägliches Zusammenleben. Ist es nicht so, dass wir sehr gerne große Worte schwingen, solange es bei den Worten bleibt, denn Worte sind geduldig, hören sich gut an oder lesen sich auch sehr flüssig. Ganz viele nicken dann mit diesem ganz speziellen verklärten Blick, der normalerweise nur Neugeborenen zugeworfen wird, wenn über Zusammenhalt, Gemeinschaft, füreinander da sein gesprochen wird, in wunderbaren blumigen Worten, mit Herzerln über den Text fliegend. Und dann schaust einmal 2 mm weg vom Zentrum und schon schaut die Welt nicht mehr so rosig aus, denn bei aller Liebe, es gibt immer einen, der dabei auf der Strecke bleibt und das ausbaden muss, was andere ach so toll meinen. Es heißt ja nicht umsonst, gut gemeint ist das Gegenteil von gut. Und eines fällt mir auch immer öfter auf, der Zusammenhalt und das Füreinander da sein, aufeinander Rücksicht nehmen, ist meistens nur dann der Fall, wenn es nach außen wirksam ist, die wenigsten (und ich werfe definitiv nicht alle in einen Topf, denn ich kenne einige, die hinter den Kulissen die Strippen im positiven Sinn ziehen und nicht vor den Vorhang gebeten werden wollen) nehmen dabei Rücksicht auf die Spuren, die Arbeit, die Kränkungen und die Verletzungen, die sie hinter den Kulissen hinterlassen. Vergleichbar mit einem Fest, die Vorbereitungen und das Fest selbst erstrahlt im hellen Glanz, alle sind begeistert, wie toll und wir wir doch alles lösen können, wenn wir nur zusammenhalten. Und dann ist das Fest vorbei, der Glanz verblasst, die Scherben und der Dreck müssen beseitigt werden, alles muss weggeräumt und sauber gemacht werden, damit das nächste Fest stattfinden kann. Und da zeigt sich der wahre Charakter und das Tun. Denn hier ist nicht Reden gefragt, sondern Tun. Und plötzlich ist ein neuer Player im Spiel: Niemand. Niemand ist plötzlich überall, Niemand ist da, Niemand nimmt sich die Zeit, Niemand räumt die Sachen weg, Niemand war es und Niemand fühlt sich verantwortlich. Und Jemand muss dann das Tun übernehmen, denn – und jetzt schließt sich der Gedankenkreis – über das Tun reden viele aber nur wenige Tun das, worüber sie reden.
Ich nehme mich jetzt an der Nase und werde versuchen in Zukunft öfter ein Jemand zu sein
Liebe Grüße
Ihre
Sabine Hauger